Dabei war sein Weg zum Erfolg alles andere als vorgezeichnet. Man könnte auch sagen, Nam hat sich den Erfolg hart erarbeitet, weil er von einem Satz geprägt war, den Eltern klassischerweise zu ihren Kindern sagen, wenn es um den gesellschaftlichen Aufstieg geht: „Ihr sollt es einmal besser haben als wir.“ Für Nam gilt dieser Satz umso mehr, als sein Vater in seinem Heimatland Vietnam bettelarm war und als einer der berühmten „Boatpeople“ alles dafür tat, seiner Familie eine lebenswertere Zukunft zu bereiten.
„Boatpeople“ – das sind jene Flüchtlinge aus dem Vietnam der 1970er- und 1980er-Jahre, die infolge des Vietnamkriegs in einem Boot aus ihrem Heimatland flohen. Auch Nams Vater wählte diesen Weg der Verzweifelten, der eigentlich Stoff genug für eine eigene große Geschichte bietet, die an Dramatik kaum zu überbieten ist. Die Kurzfassung: Nachdem er lange Zeit als Schleuser gearbeitet hatte, um anderen Menschen die Flucht aus Vietnam zu ermöglichen, bekam Nams Vater im Jahr 1980 selbst die Chance, eines der Boote in ein neues Leben zu besteigen. 50 Leute waren mit ihm und seinen drei ältesten Söhnen an Bord. Sie rechneten fest damit, nach etwa einer Woche auf hoher See von der Cap Anamur, dem bekannten Rettungsschiff des deutschen Helfers Rupert Neudeck, im wahrsten Sinne des Wortes aufgefischt zu werden. So lief es jedenfalls immer ab.
Bei Nams Vater und den Brüdern kam jedoch alles anders. Das Boot geriet in einen Strudel und konnte seine reguläre Route nicht halten. Das Essen wurde allmählich knapp, und als dann auch noch ein thailändisches Piratenboot aufkreuzte und sie überfiel, machte sich Verzweiflung breit. Die Piraten kamen nach einigen Tagen sogar ein zweites Mal vorbei, als das Boot immer noch im Strudel feststeckte. Wie sollte es weitergehen? Der Strudel schien nicht überwindbar und es gab kaum noch Essen. Schließlich kamen die Piraten ein drittes Mal zum Boot. Sie fanden Passagiere vor, die kurz vor dem Tod standen – und zeigten tatsächlich Mitleid mit denen, die sie zuvor selbst ausgeraubt hatten. Sie hängten das Flüchtlingsschiff an einen Haken und zogen es hinter ihrem Schiff her, bis sie schließlich die rettende Cap Anamur erreichten.
Nams Augen blicken fast ungläubig, wenn er diese Geschichte seines Vaters und seiner Brüder erzählt. So unfassbar erscheint sie ihm. Doch sie hat ihn und seine Familie geprägt und ihnen allen das Glück beschert, ein neues Leben jenseits von Vietnam in Berlin-Reinickendorf zu beginnen. Dorthin gelangten der Vater und seine Söhne nach Stationen auf den Philippinen und in Hamburg, und an diesen Ort holte der Vater seine restliche Familie ein Jahr später nach.
Aus Vietnam wurde Vienam
Im Jahr 1985 erblickte Nam in Berlin das Licht der Welt. „Ich war der Erstgeborene in Deutschland“, sagt er. „Vietnam“ wollten seine Eltern ihn eigentlich nennen, zu Ehren ihres Heimatlandes. Doch die Berliner Behörden machten ihnen einen Strich durch die Rechnung, diesen Namen könne man einem Kind doch nicht geben. Also kürzte sein Vater kurzerhand das „T“ heraus und nannte ihn „Vienam“, ein Name, den es in Vietnam eigentlich gar nicht gibt. Bei den Behörden war das aber kein Problem, so dürfe der Junge heißen, entschied man.
„Meine Eltern haben immer dafür gesorgt, dass es uns gut geht“, sagt Nam, rückblickend auf seine Kindheit mit insgesamt sechs Geschwistern in Reinickendorf. Er machte sein Abitur – und entschied sich danach, den eher als strukturschwach geltenden Berliner Bezirk zu verlassen. Ihm war klar: Wenn er aus seinem Leben etwas machen wollte, musste er gehen. Seine nächste Station sollte die Bundeswehr werden.
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Eine der ersten Bewerbungen ging zu SACO
Studium oder Ausbildung? Das war die Entscheidung, die er nach Ende des Wehrdienstes treffen musste. Der Tante seiner heutigen Frau und damaligen Freundin sollte bei der Beantwortung eine Schlüsselrolle zukommen. „Sie hat mich auf die Ausbildung zum Speditionskaufmann gebracht“, erzählt Nam. Gleich eine der ersten Bewerbungen schickte er im November 2006 zu SACO Shipping – und bekam tatsächlich nach einem Probetag die Zusage. „Schon beim Vorstellungsgespräch mit Andrea Briks habe ich gemerkt, wie familiär alles abläuft, das hat mir sehr gefallen“, erinnert er sich.
In seiner Ausbildung wurde ihm noch mehr bewusst: Auszubildenden wird bei SACO viel zugetraut. Sie erhalten jede Menge Verantwortung, wenngleich es im Hintergrund immer eine Ansprechperson für Azubis gibt, die bei Fragen oder Unsicherheiten zur Stelle ist. Als „Learning by Doing“ könnte man das Prinzip auch bezeichnen, denn Nam war direkt für mehrere Häfen in Fernost zuständig. Indien, Japan und im Export Vietnam – wie sollte es bei seiner Herkunft auch anders sein, denn Nam spricht fließend Vietnamesisch.
Nach seiner Ausbildung wurde er als Speditionskaufmann im Import übernommen. „SACO versucht eigentlich immer, dem Gros der Azubis eine feste Stelle anzubieten“, bestätigt Nam. Für ihn selbst stand es außer Frage, dass er bleibt. „Ich habe mich von Anfang an so wohl gefühlt, man arbeitet zusammen wie in einer Familie.“ Ob Azubi oder Abteilungsleitung – Hierarchien sind kaum spürbar, alles ist auf Augenhöhe und das „Du“ gilt vom ersten Tag an. „Jeder hat das Gefühl, dass er für die Firma jemand Wichtiges ist“, umschreibt es Nam.
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Nach der Arbeit Aktivitäten mit den Kollegen
Entsprechend trifft sich das Kollegium auch jenseits der offiziellen Firmenveranstaltungen regelmäßig zum Afterwork oder Essengehen nach Feierabend. „Durch Corona hat all das leider etwas abgenommen.“ Allerdings trug die Pandemie auch etwas Gutes zur Work-Life-Balance bei: Homeoffice oder Gleitzeit haben durch sie bei SACO Einzug gehalten. Zuvor schien das wie in vielen anderen Firmen fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. „Man hat gespürt, dass die Geschäftsführung den Leuten zuhört“, sagt Nam.
Er selbst stand im Jahr 2015 aber zunächst noch vor der Frage: Welchen weiteren Schritt will ich bei SACO gehen? Bis dahin hatte er im Operativen gearbeitet, doch er wollte weiterkommen. „Irgendwie muss man mir das angesehen haben“, erzählt er, denn auf einmal kam das Angebot, sich als Tutor um Azubis zu kümmern. Das heißt, außer für die Betreuung der angestellten Azubis war er auch für die Anwerbung neuer Auszubildender zuständig, ging auf Messen und in Schulen.
2017 dann der Cut. Nam bekam die Möglichkeit, in einem anderen Unternehmen als Gruppenleiter anzufangen. „Bei SACO wäre das für mich zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen.“ Als er einige Monate in seinem neuen Job war, sollte sein Schicksal noch einmal eine überraschende Wendung nehmen. Ein Anruf von SACO! Sein ehemaliger Vorgesetzter fragte ihn, ob er nicht als Teamleiter zurückkehren wolle. „Für mich war das wie das Gefühl, nach Hause zu kommen“, sagt Nam. Er musste nicht lange überlegen.
Geschäftsreisen führen ihn in die Heimat seiner Eltern
Seit mittlerweile fast fünf Jahren führt Nam nun dieses Team aus 11 Angestellten. Er ist genau dort angekommen, wo er als Azubi immer hinwollte. Die Position bietet ihm außerdem die Gelegenheit, über Geschäftsreisen eine Verbindung zur Heimat seiner Eltern herzustellen – das erfüllt Nam mit einer gewissen Dankbarkeit. Vor der Pandemie war er in Vietnam, aber auch in China und Taiwan unterwegs. „Anfangs hatte ich mich noch gefragt, was denn jetzt mein nächstes Ziel sein könnte.“ Doch dann wurde ihm klar, dass er die Zeit ruhig als „Pause“ sehen könne, momentan macht er einfach das, was ihm liegt.
Letztlich war die Coronapandemie ein gewisser Entschleuniger in seinem Leben. Im April 2020 wurde seine zweite Tochter Hai Vi Leni geboren – und Nam hatte plötzlich die Möglichkeit, sie nicht nur nach Feierabend kurz zu Gesicht zu bekommen, sondern dank Homeoffice auch tagsüber in seinem Haus in Rahlstedt. Dadurch gelingt es ihm und seiner Frau, die ebenfalls aus einer vietnamesischen Familie stammt, viel besser, der Kleinen ihre Muttersprache beizubringen. Bei seiner ersten Tochter Mi Linh Ella, die im Dezember 2016 das Licht der Welt erblickte, war das noch schwerer gewesen.
Und was treibt ihn jenseits von Beruf und Familie um? Zunächst ein Klassiker: Einmal die Woche spielt Nam Fußball im Verein, ein sportlicher Ausgleich. Doch da ist noch mehr, wofür ihm aber schlicht die Zeit fehlt. „Ich würde mich gerne noch stärker sozial engagieren“, sagt er. So könnte er etwas von dem zurückgeben, was seine Eltern an Unterstützung erfahren haben. Damals, als sie aus Vietnam in ihrer neuen Heimat Deutschland ankamen.